07. August 2024
Bartang Valley Teil II. Wir verlassen die kleine Oase inmitten der Felslandschaft am späten Nachmittag und fahren 15km weiter in das zweitletzte Dorf im Bartang Valley. Wir sind nun mittendrin im berüchtigten Tal, auf Google Maps ist hier nichts außer Berge zu sehen. Aber seien wir mal ehrlich – eine Straße einzuzeichnen wäre übertrieben, denn die Schotterpiste kann die reinste Hölle sein. Wir stehen früh auf, um die nächste Steigung vor der Mittagshitze abzuhaken. Gegen Mittag erreichen wir das letzte Dorf für die nächsten fünf Tage. Wir kaufen den halben „Laden“ leer und radeln noch einige Kilometer weiter, hinein in den Nationalpark. Dabei passieren wir auch eine erste überflutete Stelle, das Wasser reicht uns bis zur Hüfte und wir müssen die Fahrräder zu zweit durch die Wassermassen pflügen. Ein wenig weiter treffen wir bei einer Flussüberquerung auf holländische Freunde, die wir zuvor im Tal bereits getroffen hatten. Sie stecken seit 6 Stunden mit ihrem Jeep im Fluss fest und sind sehr erfreut über unser Eintreffen. Gemeinsam mit Einheimischen schaffen wir es, den Wagen zu befreien. Alle freuen sich riesig, es gibt Umarmungen und Cookies für uns (was uns freuen lässt wie Kinder, denn Cookies haben wir seit Dushanbe nicht mehr gesehen). Wir radeln noch ein Stück talaufwärts, bevor wir mit dem holländischen Paar und zwei Motorradfahrern das Zelt aufschlagen. Am nächsten Tag sieht der Ablauf ähnlich aus: Wir kämpfen uns über die schlechte Straße von Flussüberquerung zu Flussüberquerung. Dabei helfen wir den Motorradfahrern immerzu durch die Wassermassen, und auch der Jeep ist für den Notfall froh über unsere Anwesenheit. Im Bartang-Valley ist man mit dem Fahrrad also am oberen Ende der „Fahrzeugs-Nahrungskette“, für uns sind die Flussdurchquerungen viel ungefährlicher. Nach dem letzten Fluss verabschieden sich die motorisierten Fahrzeuge von uns und wir beginnen mit dem Anstieg auf das Hochplateau. 20% Steigung auf miesem Gravel – da wird mehr geschoben als gefahren. Und auf 3800m brauchen wir alle 20 Meter eine Pause, um richtig durchzuatmen. Auf dem Plateau angekommen eröffnet sich uns eine neue Welt, endlose Weiten die durch die vergletscherten Bergriesen begrenzt sind, der Anblick ist unbeschreiblich. Nach einer Einladung zu Tee, Brot, Butter und Yoghurt in einer Hirtenhütte fahren wir weiter zum schönsten Campspot unserer Reise. An einem kleinen Fluss im grünen Gras in der endlosen Ebene schlagen wir unsere Zelte auf. Der Sonnenuntergang beleuchtet die 6000 Meter hohen Berge vor uns. Majestätisch und golden wiegt uns sich ihr Anblick in den Schlaf.
„SAUERSTOFF!“, schreit uns dann der Körper in der Nacht an und wir erwachen immer mal wieder mit Schnappatmung. Im Allgemeinen macht uns die Höhe jedoch nicht so sehr zu schaffen, andere in der Gruppe trifft es härter. Der nächste Tag bleibt spektakulär, auf der Ebene können wir fahren wo wir wollen, meistens ist es besser, neben der Straße zu fahren. Am Nachmittag erreichen wir dann die M41, den Pamir-Highway. Von hier aus würde der direkte Weg nach Karakul und zur kirgisischen Grenze führen. Doch 35km in die „falsche“ Richtung befindet sich der Ak-Baital Pass, der mit seinen 4655m der höchste Pass im Pamir Gebirge ist. Das können wir uns nicht entgehen lassen! Da es aber nicht allen aus der Gruppe gut geht, teilen wir uns auf. Noé, Jean und Matteo machen sich auf den Weg in das Dorf Karakul, während Charles, Rémi und wir in Richtung Pass aufbrechen. Wieder einmal schlafen wir in einer zerfallenen Karawanserei und beginnen nach einer kalten Nacht auf 4200m den Pass hochzufahren. Wir kommen gut voran und stehen um 09:00Uhr auf dem höchsten Punkt und wandern noch auf einen kleinen Gipfel auf 4730m.
Hier ein kleiner Vergleich zwischen dem Ak-Baital Pass und dem Gipfel des Mont Blanc.
Ähnlichkeiten: Höhe! (4655m vs. 4810m)
Unterschiede: Auf dem Ak-Baital Pass fahren 40 Tonnen LKW‘s vorbei. Auf dem Gipfel des Mont Blanc nicht.
Vergleich Ende.
Nach einer holprigen Abfahrt erreichen wir nach gut 25km wieder Asphalt. Das erste Mal seit gut 10 Tagen – was für eine Wohltat! Wir erreichen am Nachmittag die anderen im Dorf und müssen feststellen, dass wir unseren Border-Permit, welchen wir für die Einreise nach Kirgisistan brauchen, noch nicht erhalten haben. Wir suchen uns also eine Bleibe und enden zu 8 in einer Jurte bei einer sehr netten Familie. Das Dorf sieht sehr zerfallen aus, Internet und Strom gibt es nur sporadisch, die Auswahl an Lebensmitteln ist sehr spartanisch.
Nach 2 Nächten brechen wir auf zur Grenze. Bei extremem Gegenwind kämpfen wir uns auf den Grenzpass auf über 4200m. Dort passieren wir die tajikische Grenze, danach folgen 20km „no-mans-land“ bevor wir die kirgisische Grenze erreichen. Direkt nach der tajikischen Grenze auf dem Pass wird es grüner, das Farbenspiel der Berge, Hügel und Flüsse ist gigantisch, es sieht aus wie in jedem Werbespot der Region.
An der kirgisischen Grenze angekommen wissen wir schon, was uns erwartet. Unsere Permits sind immer noch nicht da, und so müssen wir eine Nacht an der Grenze schlafen. Wir haben also eine Nacht unsere Reise in keinem Land verbracht!
Die Grenzbeamten sind die wahrscheinlich unfreundlichsten bisher, vor allem einer der Soldaten scheint seine Machtposition sehr zu genießen. Das löst bei uns im Gegenzug eine ziemlich provokante Art aus, die wahrscheinlich auch nicht weiter hilft. 😉
Nachdem wir alles aufgebaut haben und bereits schlafen, werden wir um 22:30 Uhr geweckt und zwei Soldaten verkünden uns feierlich, dass wir jetzt die Grenze passieren könnten. Nachdem David ihnen ausdauernd erklärt, dass wir jetzt im Dunkeln sicher nicht zusammenpacken und in die nächste Stadt fahren, lassen sie uns weiterschlafen. Am Morgen stehen wir um 07:30 Uhr an der Grenze, ein Soldat kommt, wir fragen ob wir passieren können.
Die Antwort: „No.“
Die Rückfrage: „When?“
Die Antwort: „10.“
Die etwas aggressivere Rückfrage: „What the fuck?! No. We won‘t wait till 10, they said 8.“
Die Antwort: „Ok, 08:30.“
Der Soldat geht wieder.
Wir verbringen noch eine Stunde, trinken noch einen zweiten Kaffee und spielen mit Charles und Noé Spiele. Und ob man es glaubt oder nicht, um 08:31 Uhr kommt ein Beamter und öffnet uns das Tor. Wir erhalten den Einreisestempel, David wird noch 1,5 Mal angeschnauzt (möglicherweise durch die Provokation vom Vortag selbst verschuldet) und dann stehen wir schon in Land Nummer 18.
Wir fahren, ganz klischeehaft, entlang von Jurten und Pferden hinunter in das erste kirgisische Dorf, Sary-Tash. Hier bleiben wir 2-3 Nächte, wahrscheinlich trennen sich hier die Wege unserer Kerngruppe, bestehend aus Charles, Noé, Jean und uns. Wir wollen weiter in den Norden Kirgisistan‘s, Noé, Charles und Jean wollen auf direktem Weg nach China und dann weiter nach Pakistan. Wir sind nun über zwei Monate zusammen unterwegs und es fällt uns sehr schwer, uns von ihnen zu verabschieden. Sie sind mittlerweile sehr gute Freunde geworden, dass man sich spontan trifft und man dann für eine solch lange Zeit zusammen reist, das passiert wohl sehr selten. Darum müssen wir noch den Biervorrat des Dorfes leeren und die letzten gemeinsamen Tage genießen.