7. Juli 2024 (wir sind zurück im gewohnten Datum und können das Haltbarkeitsdatum auf den Produkten wieder einfach überprüfen)
Manchmal kommen wir auf der Durchreise an einen Punkt, an dem wir uns bereit fühlen, das Land zu verlassen und mit vielen guten Erinnerungen das nächste Land zu entdecken. Und manchmal ist dieser Moment einfach ein paar Tage zu früh, sodass wir doch noch schlechte Erfahrungen in Kauf nehmen müssen, bevor wir die Grenze erreichen.
Und so in etwa erging es uns auch im Iran:
In Mashhad quartierten wir uns zuerst in ein Hotel ein, Hossein’s Vater hatte Kontakte. Wir konnten uns gut ausruhen, und es gab sogar Frühstück, Zmittag und Abendessen. Einziger Kritikpunkt: Es handelte sich wohl um ein Pilgerhotel. Einerseits hätten wir eine Heiratsunkunde vorweisen müssen, um ein Doppelzimmer zu bekommen (Hossein’s Vater rief daraufhin den Chef des Hotels an und klärte die Sache für uns), andererseits herrschten strenge Kleidervorschriften, wie beispielsweise das Tragen des Tschador für Frauen.
Nach zwei Nächten wechselten wir in die Wohnung von Hossein’s Familie. Wir besichtigten die Stadt, wanderten zu einem Aussichtspunkt und besuchten den wichtigsten Holy Shrine im Iran. An diesem Abend teilten wir uns zu sechst auf zwei Taxis auf, um den Heimweg einzuschlagen und unsere knurrenden Bäuche mit dem Nachtessen zu stillen. Das hätte die Kurzzusammenfassung von unserem Plan sein sollen. Hätte, hätte, Fahrradkette…
Jean und wir beide kamen Zuhause an und warteten. Nach zu langem Warten versuchten wir die anderen zu kontaktieren. Kein Anruf wurde angenommen, weshalb wir es mit Whatsaoo versuchten:
Everythings good?
Not really. We are going to be very late. You can already eat.
What happened?
Big control!
Und mit dieser Information assen wir schweigsam das Abendessen. An Pass-& Visakontrollen sind wir uns im Iran gewohnt. Wir haben aufgehört mitzuzählen. Oftmals auch durch den Secret-Service in Zivilkleidung. Manchmal wurden Fotos von unseren Pässen gemacht, aber jedes Mal gings dann ziemlich schnell weiter. Dieses Mal wohl nicht.
Um 4 Uhr morgens kamen die drei nach Hause. Sie erzählten uns alles, waren bleich, müde, die Stimmung bedrückend, beinahe ängstlich. Sie wurden mit Fragen ausgequetscht, über ihre Reiseroute, sogar über unsere Reiseroute, die Handys wurden durchsucht, die Fotos ganz genau angeschaut, sogar das gesamte Instagramprofil. Es passierten so einige ‘schräge’ Angelegenheiten während dieser stundenlangen Befragung und Durchsuchung. Hossein musste seine ID-Karte dortlassen, er hat sie bis heute nicht zurückerhalten. Die Belgier mussten unverständliche Dokumente unterschreiben, einmal wurden sie dazu sogar aus Sichtweite der Überwachungskameras gebracht…
Wir fühlten uns nicht mehr wohl, wollten nur noch raus. Hossein’s Familie empfand die ganze Situation anders. Sie witzelten beinahe darüber, sagten, dass es normal sei (v.a. während den Präsidentschaftswahlen) und dass Hossein seine ID-Karte vergessen könne.
Das beruhigte uns ein wenig. Die Zeit mit Hossein’s Familie war so schön und lustig, dass wir trotzdem mit sehr guten Erinnerungen den Weg Richtung Grenze einschlagen durften. Nachdem wir uns von unserer Gruppe verabschiedet haben, radelten wir die letzten Kilometer im Iran ab, begleitet von wunderschöner Landschaft.
Der Grenzübergang vom Iran nach Turkmenistan hätte kurz sein können, wenn da nicht die drängelnde Mentalität der Turkmenen gewesen wäre. Naja, halb so wild!
Turkmenistan kann grundsätzlich nur mit einem Tourguide besucht werden (Transitvisa werden Stand jetzt keine herausgegeben). Diese ist teuer. Hinzukommt, dass Reisende einen PCR-Test machen müssen, Kostenpunkt: 45$. Es geht wohl nicht um das Ergebnis, sondern viel mehr um das Geld. Das Teststäbchen wurde uns nämlich kurz über die Zunge gefahren, der Test durchgeführt. Wem welcher Test gehört, weiss man nicht. Niemand sagte uns, ob das Ergebnis positiv oder negativ war. Wir wurden gegen Ende einfach gefragt, ob wir den Test durchgeführt haben. Und dann kamen noch weitere Grenzkosten hinzu, welche nur von ausländischen Personen bezahlt werden müssen. Im Anschluss gings nach etwas Zeitabsitzen mit dem Auto nach Aşgabat, der Hauptstadt von Turkmenistan. Nachdem wir unsere Fahrräder im Hotel abgestellt hatten und ein gutes Mittagessen bekamen, gings auf die ruppige Fahrt zum Darvaza-Krater. Wir durchfuhren Wüstenlandschaft, aber von dieser können wir leider nicht mehr gross schwärmen, denn die haben wir langsam aber sicher gesehen. Der Darvaza-Krater war dann aber ziemlich beeindruckend, wenn man bedenkt, dass dieser aufgrund eines Bohrunfalls in den 70er-Jahren entstand und seither immer Gas herausströmt bzw. das Feuer brennt.
Am nächsten Tag gings zurück in die weisse Marmorstadt. Wir checkten in unser Zimmer im 5-Sterne-Hotel ein (Achtung, auch hier Touriabzocke: Für Einheimische kostet das Doppelzimmer 12$, für Touristen 130$). Den ganzen Nachmittag erkundigten wir diese weisse und saubere Stadt, schauten uns wie typische Touris jedes erdenkliche Monument und Gebäude an. Irgendwann wurde es uns einfach zu viel, das Ganze zu absurd. Auf Fragen, ob man denn das ganze Geld nicht besser in die Bildung, das Gesundheitswesen oder in die katastrophalen Strassen ausserhalb Aşgabat stecken sollte, bekamen wir von unserem Tourguide nur schwammige Antworten. Der Anblick dieser riesigen, meist gold-weissen Gebäude, Türme, Statuen stimmte uns beinahe wütend. Während uns unser Guide klar machen wollte, dass es sich hierbei um ein freies Land handelt, bestätigte sich der gegenteiligen Eindruck immer mehr. Am dritten Tag gings bereits zur nächsten Grenze. Leider zeigten sich bei David in jener Nacht Symptome einer Lebensmittelvergiftung. Den letzten Tag konnten wir deshalb nicht sonderlich geniessen. Hinzu kam, dass das Wetter unglaublich heiss und die Strassenverhältnisse grausam waren. Wir verliessen Turkmenistan und wurden von den usbekischen Zöllnerinnen und Zöllner freundlich und mit viel Humor begrüsst. Dies war wohl der bislang witzigste Grenzübertritt für uns.
In Usbekistan angekommen, trennten uns 100km von Bukhara. Es war heiss, die Zeit fortgeschritten und David zu schwach, um das Fahrrad selbst zu fahren. Wir versuchten unser Glück beim Stoppen eines Lastwagens. Ein freundlicher Türke hielt, wir packten unseren türkischen Wortschatz aus und manövrierten unsere Fahrräder auf die Plane des Anhängerdachs. Wir waren so dankbar für diese Mitfahrgelegenheit, Ahmet froh um unsere Gesellschaft. In Bukhara angekommen, schleppten wir uns ins nächste Guest House. Und dort sind wir immer noch, insgesamt vier Nächte. Es gefällt uns sehr gut, wir erholen uns und warten gleichzeitig auf Jean, Noé und Charles, damit wir gemeinsam nach Tadschikistan einreisen können. In Dushanbe treffen wir dann auch noch auf Hossein. Gemeinsam geht’s dann weiter auf den Pamir-Highway. Die Vorfreude, auf kühleres Klima und hohe Berge ist gross!