Tag 136 (7708 km; 5 Pannen; Maschhad, Razavi-Chorasan, Iran)

Survived the desert.

27. Juni 2024
07. Tir 1403 (persischer Kalender)

…“Im nächsten Dorf werden wir erst in zwei Tagen ankommen“…

Tja, das dachten wir beim Verfassen des letzten Blogposts auch noch, doch es kam anders.
Wir hatten eine zweite erholsame Nacht in Khur, standen um 03:30 Uhr auf und radelten los. Die ersten 80km auf einer Hauptstraße, einer völlig geraden Linie, die durch die Landschaft mit riesigen Salzseen gezogen wurde. Dann machten wir eine kurze Pause, frühstückten ein Joghurt und entschieden, an diesem Tag noch weiter in das nächste Dorf zu fahren. Die Entscheidung fiel uns leicht: Es war 08:30 Uhr, das nächste Dorf 50km entfernt, der Gegenwind nur leicht und die Schotterstraße sah für das Erste gut aus. Wir rechneten also damit, spätestens um 12:00 Uhr im Dorf anzukommen und hatten auch noch (wichtig!) Unmengen an Wasser übrig. Oder zumindest dachten wir das zu diesem Zeitpunkt noch…
Im Klartext heißt das: wir hatten jeweils noch über 5 Liter Wasser, im Normalfall reicht das für 1,5 Tage inklusive kleiner Dusche und Spaghetti!
Beim Losfahren meinte David noch, ob wir ein bisschen ausleeren sollten, um leichter zu sein. Wir ließen es aber bleiben.
Die ersten 20km auf der Schotterpiste brachten wir schnell hinter uns. Das wir in dieser Zeit jedoch kein einziges Auto sahen, stimmte uns ein wenig stutzig. Plötzlich war immer mehr Sand auf der Fahrbahn und wir mussten oftmals absteigen und schieben, weil das Fahren im tiefen Sand unmöglich wurde. Wir realisierten schnell, dass wir bei diesem Tempo ewig brauchen würden und überlegten uns nach einiger Zeit, umzukehren. Aus verschiedenen Gründen blieben wir aber auf der kleinen (Sand-)straße. Als es nicht besser wurde, entschieden Noé und Charles, die zwei belgischen Fahrrad-Maschinen, voraus zu fahren und Hilfe für uns aus dem Dorf zu holen. Nach einiger Zeit waren sie am Horizont verschwunden und wir kämpften uns weiter und weiter durch den Sand. An einem Punkt schien die Straße in einer Sanddüne zu enden. Es stellte sich aber heraus, dass sich die meterhohe Düne einfach auf der Straße gebildet hat. Wir mussten die Fahrräder also rauf- und runtertragen, und das immer und immer wieder. Spätestens an dem Punkt, ab welchem wir unzählige Patronen von Maschinengewehren im Sand sahen, war die Stimmung eher schlecht als recht. Zusätzlich kamen Zweifel auf, ob es in dem Dorf überhaupt noch Bewohner gibt, was uns mental an die Grenzen brachte. Jean und Hossein waren langsamer und mittlerweile hinter uns aus der Sichtweite verschwunden, als uns das Wasser ausging. Eine gewisse Angst machte sich breit. Zu diesem Zeitpunkt war es ca. 14:30 Uhr, die Sonne brütete mit voller Kraft auf unsere Köpfe und Schatten gab es quasi keinen, Schwindel war unser ständiger Begleiter.
Irgendwann entschieden wir uns kurz an den Wegrand zu sitzen, um eine Pause zu machen. Leicht verzweifelt entschieden wir, auf Hossein und Jean zu warten, da sie noch einiges an Wasser hatten.
Doch plötzlich sahen wir in der Ferne ein Motorrad! Noé kam mit einem Dorfbewohner und brachte uns frisches Wasser. Dabei ist wichtig zu erwähnen, dass Noé den Spitznamen Jesus bei uns in der Gruppe hat (weil er so aussieht). Es war also tatsächlich eine Rettung der besonderen Art! 😉
Er sah auch selbst nicht besonders gut aus und erzählte uns, dass Charles und er einfach so schnell wie möglich ins Dorf gefahren sind, sie tranken auf dem Weg kaum etwas und machten keine Pausen. Einige Zeit nach der Ankunft musste er sich dann sogar übergeben. Das hielt ihn nicht davon ab, sofort Hilfe für uns zu suchen und dann auch noch mit uns die Räder über die nächsten Dünen zu tragen, welche nun 10-20 Meter hoch waren. Dafür sind wir ihm unbeschreiblich dankbar!
Mit frischem Wasser (ebenfalls von Noé) kämpften wir uns dann die letzten 7km in das Dorf und Jean und Hossein wurden mit dem Jeep der Polizei ins Dorf gebracht. Von der (extrem hilfsbereiten und freundlichen) Polizei erfuhren wir, dass die Straße gesperrt sei, auch für die Polizei, weil sie nur von Drogenkartellen für schwindlige Geschäfte genutzt wird. Wir können also froh sein um die Hitze, denn wahrscheinlich war es auch den Kartellen zu heiß.

10 Liter Wasser pro Person später ging es uns wieder einigermaßen gut. Bei der Selbstreflexion der nicht besonders schlauen Wüstenaktion kamen wir schnell auf den Punkt: Anfängerfehler. Wir hatten keinen einzigen Einheimischen in Khur nach der Straße gefragt, was normalerweise die Regel Nr. 1 ist. Warum? Wissen wir nicht.
Der Titel „Dumb ways to die in the desert. Part I – the Europeans.“ gebührt uns also.

Wir bauten die Zelte auf, schliefen bis 06:00 Uhr und fuhren 30km weiter in das nächste Dorf, wo es einen kleinen Pool gab, an welchem wir den restlichen Tag verbrachten. Das Dorf war wie aus einem persischen Film, eine grüne Oase inmitten der Wüste. Im Zentrum des Dorfes stand eine riesige Burg aus Lehm, die wir erkundeten.
Die nächsten zwei Tage machten wir wieder viele Kilometer, immerzu mit Gegenwind. Seit Isfahan hatten wir im besten Fall „nur“ leichten Gegenwind. Das sollte auch bis Maschhad so bleiben.

Einige Kilometer vor Bardaskan begann uns dann die Polizei zu eskortieren. Warum genau wissen wir bis jetzt nicht. Praktisch ist es jedoch alle Mal, denn man kann sich immer wieder an dem Jeep festhalten und muss nicht treten. Das wird uns nach kurzer Nachfrage immer erlaubt. In Bardaskan angekommen, ruft die Polizei beim örtlichen Fahrradclub an. Von diesem bekommen wir dann eine Unterkunft gestellt und werden die nächsten 2,5 Tage mit Essen, Trinken & Unterhaltung versorgt. Vor allem Mahmud kümmert sich rund um die Uhr um uns. Wir gehen ins Schwimmbad (inkl. Sauna), zum Tischtennis, werden zum Abendessen eingeladen, machen einen Ausflug für ein Picknick und und und. Bei der Bezahlung diverser Sachen kämpfen wir jedes Mal minutenlang darum, dass wir bezahlen können. Wir haben aber meistens keine Chance. Die Gastfreundschaft ist verrückt, wir hoffen das eines Tages auch so ausleben zu können.

Am Abend verlassen wir Bardaskan und fahren 130km durch die Nacht nach Torbat-e Heidarije. Dort treffen wir auf einen Freund von Hossein. Bei ihm und seiner Frau bleiben wir wieder 2 Tage, unternehmen einen Ausflug zu einem Canyon und ruhen uns aus. Es fühlt sich schon fast so an, als würde das Fahrradfahren in den Hintergrund der Reise rücken.
Von Torbat geht es in Richtung Maschhad. Da wir nach 90km mit dem Schlafplatz nicht zufrieden sind und der Tag nahezu mild ist, beschließen wir, am selben Tag noch nach Maschhad zu fahren. 158km, 1350hm, und das bei Gegenwind, das wird wohl für eine lange Zeit unsere längste Tagesetappe bleiben.

In Maschhad haben wir jetzt noch ein bisschen Zeit. Maschhad ist mit über drei Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt des Iran. Außerdem ist es zudem auch die heiligste Stadt des Landes, der Schrein des Imam Reza zieht jährlich sehr viele schiitische Pilger an. Doch am allerbesten: es ist Hossein‘s Heimatstadt, er wird uns bestimmt einige Orte zeigen können.

Höchstwahrscheinlich brechen wir am 30. Juni in Richtung turkmenische Grenze auf und sagen (vorerst) Tschüss zum Rest der Gruppe. Wir müssen die Grenze am 02. Juli überqueren und haben noch 220km bis dorthin. Dann werden wir 3 Tage in Turkmenistan sein, bevor wir uns vermutlich erst wieder aus Uzbekistan melden. Wie das Ganze funktioniert und wie wir in 3 Tagen einmal quer durch Turkmenistan kommen sollten, erfahrt ihr also in unserem nächsten Blog! 😉

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