„Georgien! Ein neues Land!“ Kaum zu glauben, dass es doch noch Grenzen gibt. Beginnen wir aber zuerst beim Ende unseres letzten Blogs.
Wir genossen die zwei Tage in Samsun sehr, rüsteten uns mit einer neuen Powerbank aus und füllten unsere Bäuche mit türkischem Essen. Viel zu sehen gab es in der gut 700 000 Einwohner großen Stadt (aus unserer Sicht) nicht. Das könnte auch daran liegen, dass die Stadt zu Beginn des 19. Jahrhunderts komplett abgebrannt ist und das Zentrum mehr oder weniger aus dicht besiedelten Wohnblöcken besteht. Trotzdem, am Schwarzen Meer angekommen zu sein tat uns gut.
Ausgeruht ging es weiter in Richtung Trabzon. Nach einem angenehmen Tag mit Rückenwind und 85km, die sich anfühlten wie 15, konnten wir unser Zelt hinter einem Café in einem Wäldchen aufstellen. Wiederum mit Gegenwind starteten wir am nächsten Morgen zu einem Campingplatz. Die Lage und die Aussicht waren phänomenal, die Definition des Wortes „Campingplatz“ ist an der türkischen Schwarzmeerküste jedoch eine andere als in Jesolo. Natürlich auch der Preis! Gäste waren wir, wie nahezu immer bisher, die einzigen. Es gab ein WC, eine „Dusche“ im Meer und eine Steckdose in der Nähe, also alles, was wir uns wünschen!
So vergingen die Tage, immerzu auf der Hauptstraße der Küste entlang. Die Region ist relativ dicht besiedelt, so kamen wir regelmäßig durch mittelgroße Städte, die in der Türkei oft – wie es uns scheint – eine Seilbahn im Zentrum haben. Coole Sache!
Wir radelten also wieder einmal der Küste entlang und bogen, genervt vom Gegenwind (David), auf einen Parkplatz ab. Es dauerte natürlich nicht lange, da wurden wir von einem LKW-Fahrer zum Çay eingeladen. Plötzlich aber, ganz wild gestikulierend, saß da auch eine Biker-Crew, die uns unbedingt bei ihnen am Tisch haben wollte. Nach einem kurzen „Wer-darf-uns-gefälligst-einladen-Battle“ landeten wir bei dem Motorrad-Club am Tisch. Einige von ihnen sprachen sehr gutes Englisch, was in der Türkei doch eine Seltenheit war. Sie boten uns gleich an, bei ihrem nahegelegenen Camp unser Zelt aufzuschlagen, die Nacht dort zu verbringen und morgen dann in das 70km entfernte Trabzon zu radeln um in ihrem Clubhaus zu übernachten. Nach kurzer Unschlüssigkeit, da wir erst 50km auf dem Tacho hatten und eigentlich noch weiter wollten, entschieden wir uns zu ihrem Camp zu fahren. Dieses lag auf einer Waldlichtung, auf der die ganze Crew von ca. 40 Männern und Frauen, teilweise mit Kindern, ihre Zelte aufgeschlagen hatten. Als wir bei ihnen ankamen, saßen die Erwachsenen zusammen in der Mitte des Camps in einem Campingstuhlkreis. Sie besprachen aber keine klischeehaften Biker-Waffendeals oder Ähnliches, nein, sie spielten einfach ganz gemütlich ein paar Runden Werwolf. Natürlich alle mit Lederjacke oder Gilet – ein Bild für Götter.
Wir gingen in ein Restaurant mit ihnen, tranken natürlich noch mehr Çay und schliefen dann ungefähr 4 Stunden vor ihnen ein.
Als wir am nächsten Tag in Trabzon ankamen, wurden wir im Clubhaus schon empfangen. Es gab ein eigenes Zimmer mit Bett für uns – traumhaft. Am Abend besuchte uns Yusuf noch auf einen Apfelsaft (Spaß – natürlich auf einen Çay). Mit ihm verstanden wir uns am besten und konnten uns über alle möglichen Themen unterhalten. Yusuf ist Primarschullehrer in einer Stadtschule und lud uns dann kurzerhand ein, am nächsten Morgen in der Schule vorbeizuschauen.
Da wir unseren Beruf ja sehr ernst nehmen und damit das ganze Projekt jetzt auch als Bildungsreise verkaufen können (und auch weil wir sonst wollten) sagten wir direkt zu.
Kurz nach Schulbeginn um 09:00 Uhr wurden wir im Schulhaus von der Direktorin und dem halben Lehrerteam begrüßt. Zuerst gab es dann ein Frühstück für uns, bevor wir in verschiede Klassen schauten und uns alle möglichen Fragen gestellt wurden. Als Aula für die Schule dient übrigens eine ehemalige byzantinische Kirche die mehrere hundert Jahre alt ist – beeindruckende Sache.
Zwei Stunden später hieß es dann Abschied nehmen, ein bisschen traurig waren wir schon, die kurze Zeit mit Yusuf war genial, für uns definitiv die schönste und am tiefsten gehende Begegnung bis jetzt.
Um das Bildungspotential völlig auszuschöpfen, nehmen wir folgende Punkte für den Schulbetrieb zuhause mit:
- Schulbeginn um 09:00 Uhr
- Frühstück in der Schule
- Klassenübergreifende Veranstaltungen werden nur noch in sehr alten byzantinischen Kirchen durchgeführt (sollte keine vorhanden sein, wird solange gewartet, bis ein Gebäude in der Umgebung ein ähnliches Alter erreicht hat)
Raus ging es aus Trabzon in höllischem Verkehr, fast wieder auf Istanbul-Niveau. Danach wurde es ruhiger und wir fuhren entlang tausenden von Teefeldern an steilen Hügel. Die weißen und beigen Häuser mit den dunkelroten bis braunen Dächern sahen in den sattgrünen Hügeln manchmal fast aus wie Pflanzen. In sehr unterschiedlichen Größen und Farben stehen sie in der Landschaft verteilt, die Gattung aber immer leicht zu erkennen: „Haus“.
So ging es dann auch durch die Hauptstadt des Tees, Rize, nach welcher wir einen schönen Schlafplatz auf dem Dach eines Strandcafes gefunden hatten. Dort trafen wir wieder auf Patrick aus Bayern, mit dem wir schon in die Türkei eingereist sind.
Nach einer weiteren Tagesetappe schliefen wir, ein bisschen am Berg, nur noch 15km von der georgischen Grenze entfernt. Nach einem letzten Çay und einem letzen türkischen Frühstück standen wir dann nach fast einem Monat im Land an der Grenze zur Ausreise.
Einerseits war die Freude auf ein neues Land, neue Sprache und neue Kultur groß, andererseits werden wir die gastfreundlichen Menschen und die türkische Kultur vermissen. Doch bei der Grenze war so viel los, dass kaum Zeit zum Nachdenken blieb. Und so hieß es dann erstmal: „Georgien! Ein neues Land!“
Good lock
Thanks so much! 😊
Hallo ihr zwei Abenteurer ! Mit Freude lese ich euer “Reiseprotokoll”. Herrlich!
Gedanklich fahre ich eure Reise mit und warte gespannt ich auf eure News und die schönen Bilder. Weiter so und viel Glück!
Elmar
Hallo Elmar!
Danke dir, das freut uns sehr! 😊